05.07.2022

Medienanstalt Berlin-Brandenburg: Macromedia-Professorin hält Keynote

Wahrheit, Kompass, professionelle Distanz sowie Krisen- und Medienkompetenz:

Diese vier Kernpunkte machen eine gelingende Kriegsberichterstattung aus, erläuterte Macromedia-Professorin Dr. Marlis Prinzing in ihrer Keynote beim Sommerforum der Medienanstalt Berlin-Brandenburg: „Wir müssen alle schreiben, lesen, rechnen und etwas Journalismus können.“ Journalistisches Basishandwerk lasse sich besonders gut von den Profis lernen.

Marlis Prinzings Vier-Punkte-Katalog begann klassisch:

Maxime 1: Berichten über Kriege ist ein permanentes Ringen um Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Das sei Journalismus ja immer, doch im Krieg sei die damit verbundene Verantwortung besonders hoch, weil Konfliktparteien jeweils nur ihre eigenen Wahrheiten gelten lassen und durchsetzen wollen, also nur Teilwahrheiten, oft auch nur Propaganda. Es brauche Sachgerechtigkeit (stimmt eine Information, ein Bild, ein Video? Lässt es sich prüfen?), Hartnäckigkeit (wie ist dies oder jenes zu verstehen, wie einzuordnen, welche weitere Expertise braucht es? Kann man es auch anders sehen?) sowie Orientierung (also einen ethischen Kompass), um sich im Kampf um die Wahrheit gut zu behaupten.

Maxime 2: Um bei mit höchster Verantwortung verknüpften Entscheidungen auf Kurs zu bleiben, muss man VOR der Veröffentlichung einen ethischen Kompass anlegen, wie ihn der Pressekodex bereithält, und abwägen, was zugemutet werden muss, warum und mit welchen möglichen Folgen.

Maxime 3: Journalismus muss in Grundsatzfragen nicht neutral sein, sondern Partei ergreifen – wenn etwa die Säulen des demokratischen Grundverständnisses ausgehöhlt werden, und solidarisch sein mit jenen, deren Menschenrechte verletzt werden oder deren Land, wie jetzt die Ukraine, völkerrechtswidrig angegriffen wird. Aber es besteht kein Grund, das journalistische Distanz- und Differenzierungsprinzip über Bord zu werfen. Dieses ermöglicht im Verbund mit empathischer Nähe ein berührendes, sachgerechtes, möglichst vollständiges Bild des Kriegsgeschehens, der Hintergründe und der Folgen. Eine Studie des Reutersinstituts der Universität Oxford weist darauf hin, dass ein guter Teil des Publikums genau dies in der Berichterstattung vermisst.

Aufhorchen lasse laut Marlis Prinzing, dass in Deutschland das Interesse an Berichten über den Krieg in der Ukraine groß ist, aber auch die Neigung, schlechten Nachrichten auszuweichen, stark wuchs, vor allem bei 18-24-jährigen.

Maxime 4: Journalismus ist zusätzlich gefordert als Trainingsinstanz für Krisen- und Medienkompetenz. Sie impfe gegen Desinformation und trainiere darin, sich der Wirklichkeit zu stellen, beschrieb die Kölner Professorin. Zentralschlüssel für ein robustes, also resilientes Leben, sei Informiertheit. Sie mache alltags- und krisentauglich. Faktencheckinitiativen, Projekte wie „Journalismus macht Schule“, ThinkTanks wie First Draft (seit Juni Information Futures Lab) sind Ansatzpunkte oder Ideengeber, wie Journalismus Lebensschule machen kann. Prinzing bezog sich auf den Forscher John Hartley, der im Jahr 2000 die These aufstellte, dass in einer demokratischen Gesellschaft jeder auch journalistisch auftreten muss. Durch die digitale Technik gelte dies heute mehr denn je. «Wir müssen alle schreiben, lesen, rechnen und etwas Journalismus können». Journalistisches Basishandwerk sei ebenfalls eine Kulturtechnik, und dieses lasse sich besonders gut von den Profis lernen.

Beim Sommerforum unter dem Titel Warfluencing – Informationsaneignung in Kriegs- und Krisenzeiten erläuterte zudem Marcus Bösch (HAW Hamburg) die Rolle von TikTok, Valeria Shashenok, eine geflüchtete Ukrainerin, schilderte ihre Erfahrungen als „Warfluencerin“; Bösch und Prinzing diskutierten zudem mit Lisa Kelp (Lehrerin am Gymnasium Steglitz) und Katharina Swinka (Generalsekretärin Bundesschüler:innenkonferenz). Auf ein Schlusswort von Bernhard Pörksen (Universität Tübingen) folgte die medius-Preisverleihung.

Informationen zum Studiengang Journalismus B.A. gibt es hier.

(MPR)