22.10.2020

Wie ein Torwart beim Elfmeter: Macromedia-Professor präsentiert Prognose zur US-Wahl

Bei der US-Wahl am 3. November besitzt Donald Trump nur Außenseiterchancen. Das ist Ergebnis zweier Prognoseverfahren, die Prof. Dr. Andreas Graefe von der Hochschule Macromedia in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift PS: Political Science & Politics zur US-Präsidentschaftswahl präsentiert. Stand heute (21.10.2020) liegen die Chancen auf Wiederwahl laut der von ihm geleiteten Prognoseplattform PollyVote.com bei 23 Prozent. Ein Grund dafür: die Wähler bringen Donald Trump nicht mit den Kompetenzen in Verbindung, die von ihnen als essenziell zur Bewältigung der landesweiten Probleme angesehen werden. Dieser Zusammenhang wird in dem von Graefe entwickelten Issues & Leaders-Modell augenscheinlich.

Laut einer aktuellen Umfrage des renommierten Gallup-Instituts betrachtet nur knapp jeder zehnte US-Wähler die wirtschaftliche Lage als das wichtigste Problem des Landes – ein historisch niedriger Wert. Für Donald Trump ist dieser massive Bedeutungsverlust des Zustands der Volkswirtschaft in der öffentlichen Wahrnehmung eine Katastrophe. „Die Wirtschaftskompetenz ist der einzige Bereich, in dem Wähler Trump besser einschätzen als seinen Herausforderer Joe Biden“, so Prof. Dr. Andreas Graefe von der Hochschule Macromedia. „Falls wirtschaftliche Themen in den letzten Wahlkampftagen wieder stärker in den Fokus rücken, könnte Trump davon profitieren. Ein entsprechender Anlass könnte die anstehende Veröffentlichung von US-Wirtschaftsdaten für das dritte Quartal sein. Hier wird nach dem Einbruch im Frühjahr aufgrund der Corona-Krise eine kräftige Erholung zu sehen sein. Es wird spannend zu sehen sein, inwieweit Trump diese Zahlen für sich nutzen können wird.“

„Issues & Leadership“: bildet prospektives Wahlverhalten ab

Das von Prof. Dr. Andreas Graefe entwickelte „Issues & Leaders“-Modell ist eines der wenigen Prognosemodelle, das prospektiv aufgebaut ist, also auf den Erwartungen der Wähler über künftige Entwicklungen basiert. Deshalb ist das „Issues & Leaders“-Modell auch für Politikberater so interessant: Das Modell liefert Entscheidungsunterstützung darüber, auf welche Themen die Kandidaten setzen sollten. Die Mehrheit bestehender Modelle ist hingegen retrospektiv aufgebaut und eignet sich dadurch nur eingeschränkt als Blaupause für die Zukunft – zu massiv ist die von den Wählerinnen und Wählern erlebte Veränderungsdynamik zu Zeiten von COVID-19, Black-Lives-Matter und Fridays for Future.

PollyVote: kombiniert Vorhersagen unterschiedlicher Prognosemethoden

Bei PollyVote, welches seit 2004 im Einsatz ist, liegt die Stärke des Modells in der Kombination von Vorhersagen unterschiedlicher Prognosemethoden. Dazu gehören neben klassischen Umfragen, welche die Wahlabsicht abbilden, auch Methoden, welche auf Erwartungen von Wählern und Experten basieren, wie denn die Wahl ausgehen wird. Darüber hinaus integriert PollyVote eine Vielzahl von statistischen Modellen, welche auf sehr unterschiedlichen Annahmen beruhen. Die Kombination dieser unterschiedlichen Vorhersagen reduziert den Prognosefehler.

Aktuell prognostiziert PollyVote einen Wahlsieg für Joe Biden. So scheint es nahezu sicher, dass Biden die Mehrheit der Stimmen gewinnen wird. Wahlentscheidend ist aber am Ende, wer die Mehrheit der Stimmen im Electoral College auf sich vereinen kann. PollyVote sieht auch hier Joe Biden vorne und beziffert die Wahrscheinlichkeit für einen Wahlsieg Bidens auf aktuell 77%. Umgekehrt heißt das aber auch, dass die Chance einer Wiederwahl von Präsident Trump bei immerhin 23% liegt.

„Dies hört sich vielleicht im ersten Moment niedrig an, entspricht aber in etwa der Wahrscheinlichkeit, dass ein Fußballspieler einen Elfmeter verschießt“, so Graefe.

Zur Sonderausgabe der Fachzeitschrift PS: Political Science & Politics geht es hier.

(IMH)