04.07.2022

Rauer Ton, mediale Schlagseite: Macromedia-Professorin für Medienwoche

Der Krieg in der Ukraine erzeuge zuweilen vor allen Dingen in Deutschland eine mediale Schlagseite, erläuterte die Kölner Journalismusprofessorin Dr. Marlis Prinzing im Schweizer Online-Medienmagazin Medienwoche. Vor lauter – im Grundsätzlichen ja durchaus gebotenen – Solidarität mit einem angegriffenen Land blieben Streitkultur und Frühwarnfunktion oft auf der Strecke.

Die Ukraine ist moralisch und faktisch im Recht. Das erzeugt Solidarität. Das ist wichtig, auch aus menschlichen Gründen. Journalismus sollte parteiisch sein, wenn Säulen des demokratischen Grundverständnisses ausgehöhlt werden, argumentiert Marlis Prinzing, und solidarisch mit jenen, deren Menschenrechte verletzt werden.

Aber es bestehe kein Grund, zugleich das journalistische Distanz- und Differenzierungsprinzip über Bord zu werfen. Ausgewogene Distanz sei ein Gebot der Professionalität und kein Widerspruch zur humanitären journalistischen Solidarität, welche sich auf das Grundsätzliche bezieht. Die Kölner Professorin kritisiert, dass bezogen auf den Ukrainekrieg manche Journalistinnen und Journalisten dies zu vergessen scheinen.

Zudem bleibe kaum Raum für Toleranz gegenüber Menschen, die sich vor der Eskalation des Krieges in einen Atomkrieg fürchten, und für eine sachgerechte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Argumenten, bei denen abweichende Meinungen NICHT verbal regelrecht verdammt werden. Medien werfe man oft Panikmache vor. Doch jetzt, wo es um Waffen für die Ukraine geht und darum, ab wann Putin die Nato als Kriegspartei sieht und gar zu Atomwaffen greift, werfen etliche Journalistinnen und Journalisten selber den Warnenden aus Politik, Wissenschaft und Kollegenkreis Panikmache vor. Sie scheinen wachsende Spannungen und Weltkriegsrisiken zu verharmlosen, viele benehmen sich wie ein Sprachrohr der ukrainischen Politik und attackieren jene, die das anders sehen. Selbstreflexion sei überfällig.

Drei Schlüsselfragen hierfür sind: Bin ich zu solidarisch? Agiere ich aktivistisch? Vergesse ich meine Rolle, zu der eben auch beobachten und frühzeitig vor Gefahren warnen gehört? Übersehe ich, welche Themen das Publikum umtreiben, zumal etwa je die Hälfte für beziehungsweise gegen Waffenlieferungen in die Ukraine sind, während unter den Journalisten und Journalistinnen hingegen – gefühlt – eine sehr große Mehrheit dafür ist.

Informationen zum Studiengang Journalismus B.A. gibt es hier.
Zum Beitrag in der Medienwoche geht es hier.

(MPR)