22.08.2023

FAZ-Gastbeitrag von Thomas Hestermann: Faktencheck zur öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Debatte

Empirie statt Empfindung: Professor Dr. Thomas Hestermann von der Hochschule Macromedia antwortet auf die aktuelle Kritik an der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung zum Themenfeld Migration mit einem journalistischen Faktencheck.

Sein Fazit: die zuletzt von Peter Voß und Bernd Stegemann geäußerten Vorwürfe, ARD und ZDF würden ihre Berichte zugunsten von Migranten manipulieren und konservative Stimmen nicht angemessen zu Wort kommen lassen, seien nicht haltbar.

Punkt für Punkt entkräftet Hestermann in seinem Gastbeitrag für die FAZ die Vorwürfe des Dramaturgie-Professors Stegemann und des früheren SWR-Intendanten Voß.

„Dass der öffentlich-rechtlich Rundfunk Eingewanderte und Geflüchtete besonders wohlwollend darstellte, lässt sich nicht bestätigen. Tatsächlich zeigt 2023 die Analyse von 506 Beiträgen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Risiken der Migration ähnlich wie die privatrechtlichen Sender und deutlich stärker als die untersuchten Zeitungen gewichteten“, so Hestermann.

Und weiter: „In der Debatte um Flucht und Einwanderung kommt in den untersuchten öffentlich-rechtlichen Formaten keine politische Kraft mehr zu Wort als die Union, übrigens auch in den überregionalen Tageszeitungen und in den Nachrichten des Privatfernsehens, darin aber nicht so ausgeprägt.“

Grundlage für Hestermanns Aussagen ist eine Langzeitstudie zur Gewaltberichterstattung sowie zur Berichterstattung über Menschen nichtdeutscher Herkunft, die in Deutschland leben.

Seit 2007 analysiert sein Team im zweijährlichen Rhythmus entsprechende Beiträge in den Hauptnachrichten und Boulevardmagazinen der acht reichweitenstärksten bundesweiten Fernsehsender sowie den fünf auflagenstärksten überregionalen Tageszeitungen.

Erfasst wird unter anderem, ob das Herkunftsland des/der Geflüchteten genannt wird, ob die Migration als Chance oder als Risiko dargestellt wird, welche Parteien zu Wort kommen und welche Funktionen aus dem öffentlichen Dienst.

Immer wieder konnte Hestermann seitdem zeigen, wie in den Medien eher eine Verschiebung zulasten der Geflüchteten generiert wird.

„2019 zeigte die Analyse der überregionalen Tageszeitungen […]: 44,1 Prozent der Zeitungsbeiträge nannten die Herkunft von Tatverdächtigen, und soweit dies geschah, waren sie zu 93,5 Prozent ausländischer Herkunft. Diese redaktionelle Auswahl stellte die polizeiliche Kriminalstatistik auf den Kopf, wonach in diesem Jahr 30,9 Prozent aller mutmaßlichen Gewalttäter keinen deutschen Pass besaßen.“

In seinem Schlusswort fordert Hestermann mehr Fokus für die wirklichen Gefahren der Demokratie:

„Angesichts eines Meinungskampfes, in dem Extremisten die Lüge als Waffe nutzen, stärkt anspruchsvoller Journalismus die Freiheit. Darüber lohnt sich zu streiten – mit weniger Raunen und mehr Fakten.“

(IMH)